Du göttlichstes Einziges Herz!
Könnt ich doch an Deinen Hals fliegen und Dir danken, daß Du an mich gedacht hast, ich stand gerade auf dem Flur, das kleine Spinde mit Gaze zu beschlagen, als ich Deinen Brief bekam – Du Liebster wie gern hätt ich mit meinen Augen die Wolken durchstechen mögen, um Dir einige Sonnenstrahlen zu verschaffen. Eine so unschuldige Reise – eine so lang aufgeschobene Freude, ein so genügsames Herz, das nichts weiter will, als sich in der Natur zu entzücken – es ist unverzeihlich vom Himmel, wie freudig wollte ich die alte Mischung von Regen und Sonnenschein wieder zurückrufen – die wenigstens eine fliegende Beleuchtung auf Deine Gegenden geworfen hätte. Als Du gestern in Deinem Wagen festsaßt, war’s meinem kindischen Herzen, als säße da der fremde Jean Paul, der nicht mir gehörte. Wie wenn ich Dich in Berlin hätte abreisen sehen – und es war so leer oben hinauf – ich so verlaßen. Ein paar schwere Thränentropfen, solche heiße bange must ich weinen, aber ich ertränkte meine Beklommenheit – ich gieng in Dein Zimmer, räumte auf – lies es reinmachen. Dein Schnupftuch nahm ich in meins hinüber, es hatte noch einige Wärme von Dir; aber ich hatte nichts zu sorgen – mir war auch nicht wohl – ich sehnte mich nach etwas Zerstreuendem von außen her, das ich mir nicht selbst gäbe, sagt, hätt ich arbeiten – schreiben können. Da holt ich mir den ungebundenen I.sten Theil des Titans, und habe ihn fast ganz durchgelesen – wie ich da oft zu Deinen Füßen hätte sinken mögen Du herrlichster kannst Du Dir denken. Ich finde in Deiner Abwesenheit erleuchtet mir ein unnennbares Etwas – die Spiele Deiner Fantasie, Deine Bilder Deine Malereien – oder ist’s nur weil meine Seele ganz ganz offen, ganz gierig ist nach Deinem Allerheiligsten? und ich durch die Einsamkeit freyer von anderen Störungen meiner Aufmerksamkeit bin? …
Karoline Richter an Jean Paul Friedrich Richter