Liebesbriefe von Friedrich Hölderlin an Louise Nast
Frühjahr 1788
Was wir doch für Menschen sind – Liebe! Ich meine, dieser Augenblick, da ich bei dir war, sei seliger gewesen als alle, alle Stunden … Unaussprechlich wohl war mir´s, als ich so oben am Berg ging und deinen Kuss noch auf meinen Lippen fühlte. – Ich blickte so heiß in die Gegend, ich hätte die ganze Welt umarmen mögen – und noch, noch ist´s mir so! Deine Veilchen stehen vor mir, Louise! Ich will sie aufbewahren, so lang ich kann. Weil du den Don Carlos liest, will ich ihn auch lesen, auf den Abend, wenn ich ausgeschafft habe. Ich mache wirklich über Hals und Kopf Verse – ich soll dem braven Schubart ein Paket schicken. Auf meinen Spaziergängen reim´ ich allemal in meine Schreibtafel – und was meinst du? An Dich! An dich! Und dann lösch´ ich´s wieder aus. Dies hatt´ ich eben getan, als ich vom Berg herab dich kommen sah.
O Liebe! An Gott und an mich denkst du in deinem Stübchen? Bleibe du so, wenn du schon vielleicht die Einzige unter Hunderten bist.
Kommt deine Jfr. Schwester Wilhelmine heut? Hast du ihr das Briefchen geschickt? Oder gibst du´s ihr erst? Ich höre, sie befindet sich besser. Ich soll Bilfingern auch ein Briefchen schicken, aber ich seh´, es ist unmöglich bis morgen.
Wann ich nur immer so zufrieden bliebe, wie ich jetzt bin. Doch – ich liebe dich ja unter jeder Laune fort – mein Zustand ist also doch nicht der schlechteste. Denke recht oft an mich. Du weißt´s – bleibe unzertrennlich.
Dein Hölderlin
Tübingen, Winter 1789
Liebe, gute Louise! Noch nie fühlte ich den Wert deiner edlen Seele stärker, sah nie meinen Abstand von dir deutlicher als bei deinem letzten lieben Brief. O könnt´ ich zu deinen Füßen den trüben Augenblick dir abbitten, den ich dir vielleicht durch meine trübsinnige Laune machte, könntest du sehen, wie unwürdig deiner so unbeschreiblich edlen Liebe ich mich in dem Augenblick fühlte, wann ich daran denke, dass meine Grillen die Achtung, die ich ewig für dich habe und haben soll, so unverzeihlich beiseit setzen. Louise! Louise! Liebes herrliches Mädchen! Und du antwortest mir mit dieser himmlischen Güte? Liebst mich noch ebenso heiß? Tröstest mich so zärtlich über meiner freilich ziemlich traurigen Lage? Täglich, täglich neue Beweise – wie viel ich an dir habe – je öfter ich den Brief lese, desto schätzbarer wird er mir – kein Wort deiner Liebe entging, keine Silbe die mich so ganz in dein schönes Herz sehen ließ. O lieber Gott! Was müssen das für selige Tage sein, da wir auf ewig vereint so ganz füreinander leben – Louise – was werd´ ich da an dir haben. Du wirst mich aufheitern in trüben Stunden, du wirst mir die Lasten, die ich zu tragen habe, versüßen, du wirst mich mit der Welt versöhnen, wann ich beleidigt bin, du wirst mir alles, alles sein – Oh! Ich bin so glücklich! Ich verspreche dir von nun an, süßes, liebes Mädchen – von nun an – wann ich wieder so feindselig schreibe, will ich nimmer dein Hölderlin sein. Was ich diesen Nachmittag für eine selige Stunde hatte! Ich wollte deinen letzten Brief wieder lesen – bekam aber einen älteren in die Hand – und dann wieder einen andern- bis ich endlich alle gelesen hatte – auch den allerersten, liebe Seele! Sie haben mein ganzes Herz, schriebst du damals, und – o Gott! Ich hab´ es noch, nach so vielen Prüfungen, die über dich ergangen sind, nach so vielen Leiden, die du um mich ausstehen musstest, hab´ ich es noch, dieses teure Herz, und nicht wahr, liebe Louise! Ich werd´ es ewig behalten? – Ich musste innehalten, der Gedanke, dass ich dein Herz habe, und die Erinnerung an all die Wonne der Vergangenheit machte mich ganz weich …
Dein Hölderlin
Tübingen, 1790
Dank! Tausend Dank, liebe Louise, für deinen zärtlichen, tröstenden Brief! Er hat mich wieder froh gemacht. Ich glaube wieder an Menschenglück. Die Blumen machten mir unbeschreibliche Freude. Ich schicke dir den Ring und die Briefe hier wieder zurück. Behalt sie Louise! Wenigstens als Andenken jener seligen Tage, wo wir so ganz für uns lebten, dass uns kein Gedanke an die Zukunft trübte, keine Besorgnis unsere Liebe störte. Und weiß Gott! Louise! Ich muss offenherzig sein- – es ist und bleibt mein unerschütterlicher Vorsatz, dich nicht um deine Hand zu bitten, bis ich einen deiner würdigen Stand erlangt habe. Unterdessen bitt´ ich dich so hoch ich kann, gute, teure Louise! dich nicht durch dein gegebenes Wort, bloß durch die Wahl deines Herzens binden zu lassen. Du wirst es für unmöglich halten, gute Seele, einen andern zu lieben, wie du mir schon so oft bezeugt hast – aber so mancher liebenswerte Jüngling wird indessen dein Herz zu gewinnen suchen, so mancher achtungswürdige Mann um deine Hand dich bitten, ich will heiter dir Glück wünschen, wenn du einen würdigen wählst, und du wirst dann erst einsehen, dass du mit deinem mürrischen, missmutigen, kränkelnden Freunde nie hättest glücklich werden können. Sieh! Louise! Ich will dir meine Schwachheit gestehen. Der unüberwindliche Trübsinn in mir – aber lache mich nicht aus – ist wohl nicht ganz, doch meist – unbefriedigter Ehrgeiz. Hat dieser einmal was er will, dann und bälder nicht, werd´ ich ganz heiter, ganz froh und gesund sein. Du siehst jetzt den eigentlichen Grund, warum ich den freilich zu raschen Vorsatz fasste, unser Verhältnis äußerlich anders stimmen zu wollen. Ich wollte dich nicht binden, weil es ungewiss ist, ob jener mein ewiger Wunsch jemals erfüllt, ob jemals dieser – eben menschliche – Ehrgeiz befriedigt wird, ob ich also jemals ganz heiter, ganz froh und gesund werden kann. Und ohne dies würdest du nie ganz glücklich mit mir sein. Unsere Liebe könnte die nämliche bleiben, aber desto mehr müssten dich meine bösen Launen, meine Klagen über die Welt und was der Torheiten mehr sind, die mir zur andern Natur worden sind, diese würden dich desto mehr schmerzen, je stärker du mich liebtest, und je stärker sonst in guten Stunden meine Liebe zu dir wäre. Aber treulos kann ich nie werden. Und wirst auch du nie. Denn das ist nicht treulos, wenn du auf Bitten deines Geliebten, der aus Überzeugung, dass er dich nie so glücklich hätte machen können, als der Würdigere – dich bittet! Wann du alsdann den Würdigen wählst! – das ist nicht treulos! Du würdest immer noch, als beglückende Gattin eines andern, an den Freund deiner Jugend denken, und deine vorherige Liebe zu ihm würde bloß durch den Gedanken eingeschränkt werden, wegen seiner unbezwinglichen drückenden Schwachheiten würdest du nie ganz glücklich mit ihm haben sein können. Und so würdest du gewiss nie treulos! Und ich würde denken, meine Liebe ist nicht für diese Welt! Und mich deines Glückes freuen, wollte mir sogar getrauen, dich an der Seite deines Gatten zu sehen – und euer beider Freund zu sein. Ich weiß schon, Liebe, was du mir darauf antworten wirst. Ich hätte vielleicht auch gar nichts davon geschrieben, wenn ich dir gern nur einen einzigen Zug in meinem Charakter verbergen möchte. Lebe wohl, teures, einzig geliebtes Mädchen!
Ewig
Dein Hölderlin